Wie ich mal auf den Spuren von Peter Lindbergh wandelte

3. Mai 2022

Workshop mit Mario Dirks auf Norderney

Dass ich der Fotografie von Peter Lindbergh viel abgewinnen kann, habe ich an anderer Stelle dieses Blogs bereits betont. Seit Jahrzehnten begeistert und prägt mich diese Persönlichkeit. Seine Fotografien, aber auch die Art und Weise, wie er mit seinen Models und den sonstigen Menschen in seiner Umgebung agiert, üben eine große Anziehungskraft auf mich aus und sein Einfluss auf meine eigene Art zu fotografieren ist groß.

Was lag in so einer Situation näher als der Besuch eines Workshops, den ein mir aus den Printmedien bekannter Fotograf, Mario Dirks unter der Überschrift „Auf den Spuren von Peter Lindbergh“ anbot? Nachdem es in den vergangenen Jahren aus terminlichen Gründen schwierig war, an dem Workshop auf Norderney teilzunehmen, hat es Ende April 2022 endlich geklappt.

Der Leiter des Workshops

Mario Dirks, der Seminarleiter, ist fotografischen Insidern aus diversen Zeitungs- und Buchveröffentlichungen bekannt. Er kommt ursprünglich von der Insel Norderney, betreibt mittlerweile in Oldenburg ein Fotostudio und fotografiert für zahlreiche Unternehmen und für die Industrie. Seine fotografischen Schwerpunkte liegen neben der Industrie- und Unternehmensfotografie in der Produkt- und Werbefotografie und natürlich in der Fotografie von Menschen. Sein Wissen vermittelt er weltweit in Fotoworkshops und Seminaren.

Norderney!

Zugegebenermaßen: dass der Workshop zu Peter Lindbergh ausgerechnet auf Norderney stattfindet, hat mich besonders gereizt. Ich kenne die Insel aus sehr vielen Aufenthalten als Urlauber – jetzt soll sie mir auf andere Weise näher gebracht werden. Die Anreise an einem Freitagmittag verläuft problemlos, in rund drei Stunden gelangt man aus dem Ruhrgebiet an den Fähranleger in Norddeich, von dort ist es noch mal eine Dreiviertelstunde bis nach Norderney und in weiteren knapp zehn Minuten mit dem Taxi finde ich mich am Unterkunfts- und Seminargebäude ein. Die Räumlichkeiten befinden sich am äußersten östlichen Rand der Stadt Norderney, ruhig in den Dünen gelegen und fußläufig zum Strand – was sich im Laufe des Seminars als ausgesprochen vorteilhaft erweisen sollte.

Der Einstieg

Das Seminar beginnt am Freitag mit einem ersten gegenseitigen Beschnuppern: neben Mario und seinen Assistenten Jostin lerne ich die beiden Models Minou und Joana und insgesamt neun weitere Fotografen (mit mir acht Männer und zwei Frauen) im Seminarraum kennen. Ohne einem der Beteiligten zu nahe zu treten: die Fotografen sind allesamt nicht mehr ganz jung – oder anders und positiv ausgedrückt: es handelt sich um eine Gruppe von Menschen, die viel fotografische Erfahrung mitbringen. Einige der Teilnehmer sind Wiederholungstäter, sie haben den gleichen Workshop schon mal – zum Teil sogar mehrfach – besucht und berichten mit strahlenden Augen von ihren Erfahrungen aus den Veranstaltungen in den zurückliegenden Jahren. Die Diskussionen rund um Lindbergh und um fotografisch-technische Fragen ist von Beginn an auf einem hohen Niveau – die erste Erkenntnis lautet folglich: dies ist kein Workshop für Anfänger.

An den Strand

Noch am Nachmittag des ersten Tages nutzen wir das gute Wetter und gehen mit den Models an den nahe gelegenen Strand, um zwanglos einige Bilder aufzunehmen. Mario teilt die Teilnehmer dazu in zwei Fünfergruppen auf, die jeweils im Wechsel mit einem der beiden Models shooten. Das klappt gegen meine anfängliche Befürchtung gut: die Teilnehmer gehen sehr respektvoll miteinander um und streiten sich nicht mit Muskeln und Ellenbogen um die besten Plätze. Es läuft vielmehr sehr kollegial ab, man hilft einander, wo man kann, was von Beginn an zu einem partnerschaftlichen Miteinander beiträgt.

Lindberghs Biographie

Der Abend wird bei leckeren Kaltgetränken abgerundet mit einer ausführlichen, durch viele Bilder und Videoclips angereicherten Biographie Lindberghs. Durch Marios Vortrag wird mir noch einmal deutlich, wie wichtig eine intensive Kommunikation für gute Portraits ist. Lindbergh hat sowohl am Set als auch außerhalb des Sets stets den engen persönlichen Kontakt zu seinen Models gesucht. Viele von ihnen haben immer wieder betont, wie sehr er dabei nicht nur ihr Fotograf war, sondern ein väterlicher Freund. Lindbergh war damit ein Fotograf, der seinen Beruf nicht lediglich als ein Handwerk verstanden hat, sondern ihn weit über das Fotografische hinaus gelebt, verinnerlicht hat. Einen Menschen zu fotografieren war für ihn mehr als diesen Menschen vor einen Hintergrund zu stellen und die richtige Kombination aus Blende und Zeit zu wählen.

Tag 2

Nach dem Frühstück beginnt ein langer „Arbeits“-Tag für alle Beteiligten. Nach einer kurzen Einführung geht es zum unmittelbar in der Nähe der Seminarräume gelegenen Strand. Hier wird schnell deutlich, wie sich gute und schlechte Seminare voneinander unterscheiden. Ich selbst habe schon Seminare besucht, in denen der Seminarleiter nun dazu neigen würden, die beiden attraktiven Models Joana und Minou in unterschiedlichen Posen an den Strand oder in die Dünen zu stellen und sie fotografieren zu lassen.

Marios Herangehensweise ist eine andere: er hat seinen Transporter vollgepackt mit diversen Utensilien, die allesamt sofort Assoziationen zu echten Lindbergh-Bildern entstehen lassen. Nach kurzer Aufbauphase stehen so diverse Settings zur Verfügung, die dem Motto des Seminars gerecht werden: wir fühlen uns tatsächlich „auf den Spuren von Peter Lindbergh“. Was allen Teilnehmern vor allem gut tut, ist die ständige, aber nicht aufdringliche Präsenz von Mario und seinem Assistenten Jostin. Sie sind exakt in der Sekunde mit Rat und Tat da, wenn sie benötigt werden, lassen den Fotografen ansonsten aber viel Raum, um selbst kreativ tätig zu werden.

Joana und Minou

Was wäre die geballte Kreativität ohne fantastische Models? Joana und Minou sind ein wahrer Glücksgriff für das Seminar.

Minou ist gerade mal 16 Jahre alt. Sie ist schon früh von einer Agentur entdeckt worden und hat trotz ihrer jungen Jahre schon diverse Shootings hinter sich. An einem Workshop wie diesem nimmt sie aber zum ersten Mal teil – was sie uns aber nicht eine Sekunde lang spüren lässt. Sie meistert diese Aufgabe mit Bravour. Sie agiert gelassen, kein Wunsch der Fotografen ist ihr zu viel, keine Windböe zu kalt und kein neugieriger Passantenblick zu lästig.

Joana ist ausgebildete Fotografin, sie kennt das Geschäft daher sowohl von der Model- als auch von der Fotografenseite. Diese Erfahrung hilft in zahlreichen Situationen, denn sie kann direkt vor Ort bei Posen ebenso unterstützen wie bei noch nicht optimal ein- oder ausgerichteten Kameras oder Hintergründen.

Beide, da sind wir uns einig, sind super sympathisch, sie sind nicht nur die Models, die einen Job machen, sondern bilden vom ersten Moment an eine Einheit mit den Fotografen – was wiederum dem ganzheitlichen Lindbergh‘schen Ansatz mehr als gerecht wird. 

Der theoretische Abschluss

Der dritte Tag (leider nur noch ein Vormittag) ist der Bildbesprechung und Bildbearbeitung in Lightroom gewidmet. Jeder Teilnehmer wählt dazu eine Handvoll Bilder aus den vorangegangenen Tagen aus und stellt sie zur Diskussion. Gleichzeitig gibt es zahlreiche Tipps, wie man in Lightroom Details verbessern kann. Schnell wird deutlich, dass der Unterschied zwischen einem guten Foto und einem Foto im Lindbergh-Stil häufig nur in einer Nuance liegt, etwa im geschickten Schnitt oder in einem maßvollen Dreh an den Kontrast-Reglern.

Das Fazit

Was am Ende steht: nette Kontakte zu und instruktive Gespräche mit Fotografen, eine hochprofessionelle Seminarleitung durch Mario und Jostin, viele hundert Bilder von zwei zauberhaften Models und ein wenig Wehmut, die sich schon auf der Rückfahrt breit macht und die mich schnell daran denken lässt, im nächsten Jahr selbst einer der Wiederholungstäter dieses Workshops zu werden.

Mehr Informationen zu Marion Dirks und dem Seminar gibt es unter seiner Homepage www.mario-dirks.de

Falls jemand Interesse hat, Minou oder Joana für ein Shooting zu buchen: bitte gerne bei mir melden, ich leite die Anfrage gerne weiter.

5 Kommentare

  1. Reinhard Witt

    Ich fühlte mich sofort erinnert an die Ausgabe der VOGUE zum 40sten… Das Heft für und über Karl Lagerfeld liegt vor mir. Am Stand von Deauville. Die Deko… der Tisch… der aber nur irgendwie als Staffage herum stand. Und das miese Wetter, welches mich sofort in den Bann gezogen hat. Die Inspiration von Lagerfeld selbst war mir dazu das Wichtigste: Die dramatischen Gemälde von Leon Spilliaert. Seinem Lieblingsmaler. Die Bilder vor Augen, und dann Deine Ergebnisse zu sehen, sind nah dran, tatsächlich. Auch wenn das Licht eben nicht das widerspiegelt, was ich mir wünsche: Dramatik, Melancholie, und Sehnsucht. Nun, so ein WS wird an einem bestimmten Tag angesetzt, da scheint entweder die Sonne oder es regnet. Jetzt aus der Situation das Beste zu machen ist Gebot der Stunde. Und das habt ihr. Lange habe ich danach auch an eine Realisierung dieser Fotostrecke gedacht. Und dann fällst Du mir in der Fotocommunity auf… Mal sehen, vielleicht wird das ja mal was… 🙂 Ach so… Was mich persönlich jedes mal fuchsig macht ist die Tatsache, dass die VOGUE nun mal eine Modezeitschrift ist, die sich erlauben kann mit teils oppulenten Kleidern wundervolle Werke zu erstellen. Diese Kleider sind es, die ich selbst gern dabei hätte… Denn sie geben das nötige Salz in der Modefotografie dazu. Von den Modellen mal abgesehen – toll ausgesucht und richtig „besetzt“. So etwas mag ich… 🙂

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    • lunephoto

      Interessante Anmerkung, Reinhard, vielen Dank. Aber kann es sein, dass Du zwei Extreme miteinander verwechselst? Peter Lindbergh und Karl Lagerfeld?

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      • Reinhard Witt

        Oh nein… Hier mal der Originaltext aus der VOGUE von 07/2019:
        Am Strand…
        … von Deauville inszenierten Peter Lindbergh und Christiane Arp die letzten Kollektionen Karl Lagerfelds für Chanel und Fendi. Inspiration: Die Gemälde von Leon Spilliaert, die er so liebte…
        Übrigens waren Karl Lagerfeld und Peter Lindbergh dicke Freunde…

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  2. HEIDE

    Ein wahrhaft umfassender Bericht, der detailgetreu den Ablauf dieses wunderbaren Workshops schildert und dabei die für die Teilnehmer-Zufriedenheit sehr entscheidende Rolle des WorkshopLeiters dabei ausgiebig und verdient würdigt!!!
    PRIMA!

    ….. und sofort unbändigeLust auf eine Wiederholung macht……….
    🤗❗
    Mario, ich möchte beim nächsten Mal auch wieder dabeisein❗
    Bitte um Platz-Reservierung❗

    LG, Heide

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  3. Mario Dirks

    Vielen Dank lieber Ralf für diesen tollen & ausführlichen Bericht! Ich würde mich freuen wenn wir uns demnächst wiedersehen. Entweder bei dir in Dortmund, oder 2023 auf Norderney.

    Viele Grüße!

    Mario

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